Interview mit Marco Lubitz, Chefarzt der Inneren Medizin im Pandemie-Krankenhaus Witzenhausen

19.05.2020

Marco Lubitz, Chefarzt der Inneren Medizin im Pandemie-Krankenhaus Witzenhausen, äußert sich zur aktuellen Lage.

Herr Lubitz, wann haben Sie zuletzt einen freien Tag gehabt?

Tatsächlich am letzten Wochenende - zum ersten Mal seit ein paar Wochen.

Wie haben Sie sich vorbereitet, um nicht am Ende über Leben und Tod entscheiden zu müssen wie in Italien?

Mit einem rechtzeitig aufgestellten Pandemieplan. Wie vorgesehen, ist Witzenhausen das Pandemie-Krankenhaus und in Eschwege werden die Nicht-Covid-Patienten versorgt. Durch diese Möglichkeit der Aufteilung lief bisher alles reibungslos ab, insgesamt wurde das auch im Verbund mit den anderen nordhessischen Kliniken unter der Federführung Kassels gut organisiert. Sollten unsere Kapazitäten hier nicht mehr ausreichen, was nach jetzigem Stand nicht zu erwarten ist, gäbe es weitere Ausweichmöglichkeiten. Momentan zeigt sich auch eindrucksvoll, wie wichtig unsere beiden Standorte im Kreis sind. Sonst wäre das alles nicht so unproblematisch abgelaufen.

Wie viele Patienten liegen derzeit auf Ihrer Station, wie viele wurde bislang insgesamt schon dort betreut?

Wir haben aktuell 13 positiv auf das Virus getestete Patienten auf der Covid-Normalstation und drei auf der Intensivstation, wovon einer beatmet wird. Dazu kommen zehn Verdachtsfälle. Insgesamt gab es bislang knapp 60 stationäre Covid-Patienten in Witzenhausen.

Und wie viele mussten auf die Intensivstation und beatmet werden? In wie vielen Fällen war die Beatmung erfolgreich?

Etwa zehn Covid-Patienten mussten bisher in der Intensivstation behandelt werden, sechs davon beatmet. Fünfmal war die Beatmung erfolgreich, ein Patient ist leider verstorben.

Ab wann sind Menschen, bei denen eine Ansteckung mit dem Coronavirus nachgewiesen ist, überhaupt ein Fall fürs Krankenhaus?

Bei starker Luftnot, Brustschmerzen, anderweitig starken Schmerzen und bei neurologischen Symptomen wie Depression, Wahnvorstellungen und Alpträumen ist eine stationäre Behandlung zwingend notwendig. Allgemein natürlich auch dann, wenn der Patient sich so schlecht fühlt, dass aus seiner Sicht ein Krankenhausaufenthalt notwendig ist. Wir, die aufnehmenden Ärzte, prüfen die Notwendigkeit der stationären Aufnahme dann nochmals.

Welche Symptome zeigen Ihre Patienten?

Fieber, trockener Husten, Luftnot, Geschmacks- und Geruchsstörungen sowie die eben angesprochenen neurologischen Symptome wie Wahnvorstellungen, Alpträume und depressive Stimmung. Manche Patienten haben plötzlich das Gefühl, dass ihnen die Haare oder die Kleidung am Körper weh tun.

Wie behandeln Sie die Patienten auf der Covid-19-Normalstation?

Rein symptomatisch, denn gegen das Virus an sich gibt es noch kein Medikament. Heißt also: Medizin gegen Husten, Schmerzmittel oder Antidepressiva. Bei einer Lungenentzündung verabreichen wir zusätzlich Antibiotika.

Wie erleben Sie die Isolation der Patienten, die keinen Besuch empfangen?

Das ist für die Patienten natürlich eine schwierige Situation. Allerdings ermöglichen wir allen Telefongespräche oder Videotelefonie mit unseren Tablets. Außerdem ist es Angehörigen von sterbenden Patienten erlaubt, diese nochmal zu besuchen.

Beschreiben Sie bitte mal die Stimmung unter den Beschäftigten. Und: Hat sie sich im Laufe der Wochen gewandelt?

Die Stimmung ist erstaunlich gut. Natürlich ist es irgendwo belastend, tagtäglich nur mit dem Thema Corona zu tun zu haben. Aber gerade dadurch hat sich bei uns die Angst gelegt. Wir wissen, dass die Sicherheitsvorkehrungen für uns greifen und reden auch oft darüber, wie wir diese vielleicht noch ein Stück verbessern können. Der Zusammenhalt unter den Beschäftigten macht mich stolz, wir sind noch ein Stück weit enger zusammengerückt.

 Wo sind die Unterschiede der Arbeit auf der Isolierstation gegenüber einer Normalstation?

Auf der Normalstation tragen Ärzte und Pfleger Mund-Nasen-Schutz und nur bei Patientenkontakt eine FFP-Maske. Auf den Isolierstationen für Corona-Patienten, sowohl Intensiv als auch Normal, sind Schutzkittel und FFP-Masken Vorschrift. Das ist schon eine Belastung, man fängt spätestens nach 15 Minuten an zu schwitzen.

 Was ist mit den Patienten, die nicht an Corona erkrankt sind?  Kommen Notfälle aus Angst vor Ansteckung womöglich erst spät?

Ja, leider. Wir appellieren zum wiederholten Mal, bei Symptomen für ernsthafte gesundheitliche Probleme wie Herzinfarkte oder Schlaganfälle nicht zu Hause zu bleiben aus Angst vor dem Virus. Wir haben alle Sicherheitsvorkehrungen getroffen, um Patienten vor einer Infektion zu schützen. Bei uns in der Klinik sind die Corona-Patienten isoliert und strikt getrennt von den nicht Infizierten. Wir nehmen hier jeden Notfall auf. 

Wie geht es jetzt, da es erste Lockerungen bei den Einschränkungen gibt, weiter?

Das wird sich in den nächsten Tagen und Wochen zeigen. Generell ist es schön, dass so langsam wieder etwas Normalität einkehrt. Die Gastroenterologie und die Pneumologie bei uns in Witzenhausen nehmen mit reduzierter Patientenanzahl und Sicherheitsvorkehrungen die Arbeit wieder auf, zudem wurden erste elektive Leistungen in der Chirurgie durchgeführt.

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