Mehr Kranke und schwerere Verläufe durch die soziale Isolation

07.10.2021

Der Tag der seelischen Gesundheit trägt dieses Jahr das Motto „Gemeinsam über den Berg – Seelische Gesundheit in der Familie“. Wir haben uns anlässlich des Aktionstages am Sonntag mit Dr. Henrike Lösch-Hünerjäger, Chefärztin und Ärztliche Leiterin des Zentrums für Psychiatrie und Psychotherapie (ZPP) am Klinikum Werra-Meißner, unterhalten. Denn auch sie registriert aufgrund der pandemiebedingt gesteigerten sozialen Isolation einen Zuwachs psychischer Erkrankungen, die zum Teil auch deutlich heftiger ausfallen als vor der Pandemie.

„Das ist damit zu begründen, dass psychisch Kranke ohnehin meist schon Probleme haben, soziale Kontakte zu pflegen. Durch die Lockdowns wurde dies noch mal erheblich erschwert“, berichtet Dr. Henrike Lösch-Hünerjäger. Dadurch wurde laut ihr die Abschottung vieler psychisch kranker gesteigert. „Und das wiederum lässt die Krankheiten schwerer und chronifizierter werden.“
Zudem habe es oftmals an der Möglichkeit gefehlt, bspw. eine Depression rechtzeitig zu erkennen und zu behandeln, weil die Menschen zu Hause geblieben seien. „Die Vorschriften zur Terminvergabe in unsere Institutsambulanzen war z.B. für viele eine hohe Hürde, auch wenn man sich das als gesunder Mensch nur schwer vorstellen kann“, berichtet die Chefärztin. Damit einher ging auch häufiger das Problem, dass notwendige Medikamenten-Rezepte nicht ausgestellt werden konnten. Auch Selbsthilfe-Gruppen und sozialpsychiatrische Dienste konnten teils nicht arbeiten wie gewohnt. „Das hat gefehlt, aber Gott sei Dank normalisiert sich aktuell alles wieder ein wenig.“
Eine Altersgruppe, die besonders hart getroffen wurde, sind laut Dr. Henrike Lösch-Hünerjäger Kinder und junge Erwachsene. „Junge Menschen sind noch viel mehr auf die sozialen Kontakte angewiesen als wir Erwachsenen. Wenn sie nicht in die Schule gehen oder Freunde treffen können, fehlen ihnen wichtige Erfahrungen und die Möglichkeit, sich zu erproben.“ Eine Studie habe ergeben, dass 30 Prozent der 18- bis 24-Jährigen durch die Pandemie eine psychische Erkrankung davon getragen hätten. „Depressionen und Angstzustände registrieren wir in dieser Altersgruppe am häufigsten“, sagt die Fachärztin.
Passenderweise feilt Dr. Henrike Lösch-Hünerjäger gerade an einem Projekt, bei dem sich genau dieser Zielgruppe junger Erwachsener gewidmet werden soll – mit Angeboten von Beratung und ambulanter Behandlung bis hin zu teilstationärer oder stationärer Aufnahme. Ein paar Dinge seien hier aber noch zu klären. „Ich glaube, dass noch eine große Welle psychisch Kranker – insbesondere der jüngeren Generation – auf uns zurollt“, glaubt die ZPP-Chefin. Hier werde es darauf ankommen, den Menschen beim Wieder-Einstieg in den Alltag mit Schule, Uni oder Job bzw. auch im privaten sozialen Umfeld zu helfen.

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